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27.06.2
015: Wahnsinns-Funde auf Magerrasen - mit Matthias
Liebe Schwammer-Freunde,
nach den starken Regenfällen der letzten Tage vermuteten wir schon dass sich einiges finden lässt - und so war es dann auch.
Matthias suchte einen nahe gelegenen Magerrasen mit alten Bäumen darauf als Ziel aus.
Wir fotografierten fast bis zur Erschöpfung - zumindest bis zur Erschöpfung fast aller Akkus ;-)))
Bevor ich zu Matthias fuhr hatte ich noch eine halbe Stunde Zeit und dachte mir ich könnte schnell auf eine Wiese um die Ecke gucken.
Und auch da fanden sich einige sehr schöne Pilze.
Und los geht's...

Fund Nummer 1 waren gleich diese Prachtexemplare des Netzstieligen Hexenröhrlings (Suillellus luridus):

Hier in guter Gesellschaft mit dem...

...Mehlräsling (Clitopilus prunulus):

Leider wurmig:

Aus den rosa Lamellen kommt Sporenpulver mit Pantone 729:

Bei diesem Wetter natürlich überall: Heudüngerlinge (Panaeolina foenisecii):

Ein noch nicht näher bestimmter Scheibchentintling (Parasola spec.) - davon sehn wir heute noch mehr:

Und zum Abschluss auf dieser Wiese - ein noch nicht näher bestimmtes Samthäubchen (Conocybe spec.):


So - nun aber auf zu Matthias - und hier ging's voll los auf dem Magerrasen.
Mit...
Gebänderten Hainbuchen-Milchlingen (Lactarius circellatus):

Und gleich daneben wunderbare Hainbuchen-Raufüße (Leccinum pseudoscabrum):

Überall in Massen - Flockige Trompetenschnitzlinge (Tubaria conspersa):

Dann - wie Matthias später heraus fand - ein Kleinsporiger Scheibchentintling (Parasola leiocephala):


Matthias' mikroskopisches Ergebnis:

Bild & Copyright: Matthias Reul

Auch Täublinge waren zu finden. Hier der erste:

Fundort: ca. 550 müNN. ca. N50, O12, auf Magerrasen, neben verschiedenen Laubbäumen.
Fundzeit: 27.06.2015
Wuchsform: einzeln bis gesellig
Hutform:
jung kugelig
Huthaut-Konsitenz: klebrig, glänzend
Huthaut-Farbe: Zentrum hellbraun nach außen hin cremebraun werdend
Hut-Fraßstellen-Rand-Verfärbung: bräunlich
Hutrand: gerieft
Fleisch: weiß, schnell gilbend im Schnitt
Stiel: creme, auf Druck bräunend, innen gekammert mit scharfkantigen Kammern, die Kammerflächen bräunlich gefärbt
Stielbasis: normal rund
Größe: Hutdurchmesser unreif 3-4 cm; Stiellänge 3-4 cm, Stieldurchmesser 15 mm
Sporenpulverfarbe: es kam nichts heraus (zu jung)
Geruch: fruchtig, nach Heu
Geschmack: sehr scharf

Und das ist der Stink-Täubling (Russula foetens):

Die gefärbten Kammern sind eines der typischen Merkmale:

Dann einer meiner Favoriten des Tages... ;-)
Wunderschöne Pilze. Und gleichzeitig die kleinsten Pilze die wir heute gefunden haben (denke ich).
Hier sind sie die Orangeroten Heftelnabelinge (Rickenella fibula):

Und noch Matthias' Bilder:

Bild & Copyright: Matthias Reul


Bild & Copyright: Matthias Reul

Und gleich wieder ein Scheibchentintling - diesmal aber ein anderer.
Und zwar der Gemeine Scheibchentintling (Parasola plicatilis)
Ist der nicht prima? ;-)...


Bild & Copyright: Matthias Reul

Matthias' mikroskopisches Ergebnis:

Bild & Copyright: Matthias Reul

Der nächste ist ein noch unbestimmter Helmling (Mycena spec.).
Ich bin schon gespannt welcher das ist:

Immer wieder regnete es ein Bisschen - was uns aber überhaupt nicht störte ;-)
Dann - "passend" zum Wetter - und wirklich traumhafte Pilze.
Schleimfuß-Saftlinge (Hygrocybe glutinipes)...
Eine meiner Lieblings-Aufnahmen heute:

Ja - dann - von oben dachten wir fast dass es Blutrote Röhrlinge wären aber nein...
Es waren Braunrote Milchlinge (Lactarius badiosanguineus). Auch sehr schön:

Die Gemeinen Waldfreund-Rüblinge (Gymnopus dryophilus) zeigten sich an mehreren Stellen.
Hier eine nette Missbildung:


Bild & Copyright: Matthias Reul

Dann der am häufigsten zu sehende Pilz heute.
Ein Täubling den wir im Forum bereits diskutiert haben.

Fundort:
ca. 550 müNN. ca. N50, O12, auf Magerrasen, meist neben Hainbuchen.
Fundzeit:
27.06.2015
Wuchsform:
einzeln bis gesellig
Hutform:

jung kugelig, alt ausgebreitet und sehr uneben, grubig
Huthaut-Konsitenz:
klebrig, glänzend
Huthaut-Farbe:
Zentrum olive über bräunlich bis rot, außen olivegrün bis hellgrün bis gelblich
Huthaut-Abziehbarkeit:
1/2 abziehbar
Fleischfarbe unter Huthaut
:
weiß, ohne Farbstich
Hut-Fraßstellen-Rand-Verfärbung:
keine
Hutrand:
gerieft (jung und alt)
Lamellen:
jung fast weiß, alt creme, mit Zwischenlamellen, es kommen Y-Gabeln in Stielnähe vor
Lamellensprödigkeit:
brüchig
Lamellen-Hutübergang:

jung: eng am Stiel anliegend, alt: ausgebuchtet angewachsen, fast frei
Fleisch:

weiß ohne Verfärbung
Stiel:
weiß, innen wattig ausgestopft, fast zylindrisch
Verfärbungen auf Druck:
keine (weder innen noch außen)
Stielbasis:
normal rund, braun-fleckig
Größe:
Hutdurchmesser 2-7 cm; Stiellänge 2-8 cm, Stieldurchmesser 8-15 mm
Sporenpulverfarbe:
Pantone 141
- das ist recht eindeutig IIIc, IVa nach Romagnesi
Geruch:
fruchtig
Geschmack:
mild (unmittelbar und auch nach 1 Minute Kauen) aber nicht gut pilzig

Und das ist der Hainbuchen-Täubling (Russula carpini):

Matthias' mikroskopisches Ergebnis:

Bild & Copyright: Matthias Reul

Weiter ging's mit einem noch unbestimmten Schleierling (Cortinarius spec.):



Bild & Copyright: Matthias Reul

Dann was ganz tolles. Die einzige Psathyrella heute...
... war der Rotschneidige Wegrandmürbling (Psathyrella prona):

Bild & Copyright: Matthias Reul

Den nächsten Fund habe ich mit nach hause genommen und in den Blumentopf gepflanzt.
Er hat sofort Mycel ausgebildet.
Ich werde Euch berichten was er weiter tut.
Und das ist der hier noch unreife Gemeine Tiegelteuerling (Crucibulum laeve).
Die Köpfchen sind hier ca. 1,5 mm groß:

Der nächste war ganz klar ein Fall für Dr. Ditte Bandini (was die Bestimmung angeht).
Vielen Dank für die Bestimmung zu diesem schwierigen Kandidaten...

Fundort:
ca. 550 müNN. ca. N50, O12, im Moos auf einem Magerrasen, Laubbäume (Buchen) und andere Hölzer daneben
Fundzeit:
27.06.2015
Wuchsform:
einzeln
Hutform:

kegelig
Huthaut:
radialfaserig, mitte braun, nach außen hin heller werdend, fettig glänzend
Hygrophanität:
nein
Hutrand:
mit bräunlichem Behang
Lamellen:
grauweiß, mit Zwischenlamellen, ohne Y-Gabeln
Lamellenschneiden:
etwas bewimpert
Fleisch:

Stielfleisch im Zentrum weiß, außen rosa
Stiel:
weiß, rosa überhaucht, bereift (oder beflockt)
Stielbasis:
rund
Geruch:
spermatisch
Größe:
Hutdurchmesser 1,8 cm; Stiellänge 3,5 cm, Stieldurchmesser ca. 4 mm
Sporenpulverfarbe:
Pantone 469
Geschmack:
nicht probiert

Und das ist Inocybe stirps pseudodestricta,
wahrscheinlich Fettigglänzender Risspilz (Inocybe pseudodestricta):

Der Vollständigkeit halber... ein nicht mehr so hübscher Grauer Scheidenstreifling (Amanita vaginata) - recht sicher...

und einige Grünblättrige Schwefelköpfe (Hypholoma fasciculare):

Und nicht näher untersuchte sehr wahrscheinliche Glimmertintlinge (Coprinellus micaceus):

ABER DANN!!!!!!
Ganz unverhofft fanden wir den Hammer-Mega-Fund des Tages.
Es war ein Schuppiger Porling (Polyporus squamosus) der sich den Stamm teilte mit einem Wulstigen Lackporling (Ganoderma adspersum).
Das Besondere daran waren seine unglaublichen Dimensionen von ca. 60 cm Geasamt-Breite:

Ist das nicht der Wahnsinn?:

Wer die Größe schwer schätzen kann - hier der Pilz mit dem Chef (Matthias):

Und natürlich auch noch der Pilz mit dem Lehrling (Dieter) ;-)))

Das war wirklich spektakulär. Ich war begeistert...
Er verblieb trotz Essbarkeit (wenn jung) natürlich komplett am Standort...

Gleich daneben fanden sich noch ein paar noch unreife wahrscheinliche Vielgestaltige Holzkeulen (Xylaria polymoprha):

Aber auch Egerlinge gab es hier.
Als erstes ein Stadt-Champignon (Agaricus bitorquis), wie Matthias später mikroskopierte:


Und dann noch ein unbestimmter Champignon (Agaricus spec.):


Kurz vor Abschluss der Tour fand sich noch ein Kamm-Täubling:

Fundort: ca. 550 müNN. ca. N50, O12, im Moos neben Hainbuche.
Fundzeit: 27.06.2015
Wuchsform: einzeln
Hutform:
jung halbkugelig, er zeigt schon Vertiefung in der Mitte
Huthaut-Konsitenz: glänzend, minimal klebrig, leicht bereift
Huthaut-Farbe: Zentrum braun, außen ocker
Huthaut-Abziehbarkeit: 1/2 abziehbar
Fleischfarbe unter Huthaut
: deutlich beige (siehe Farbe im Schnitt)
Hut-Fraßstellen-Rand-Verfärbung: keine
Hutrand: gerieft (jung)
Lamellen: creme, mit Zwischenlamellen, es kommen Y-Gabeln mittig vor
Lamellensprödigkeit: in dem Alter nichtsaussagend
Lamellen-Hutübergang:
angeheftet
Fleisch:
weiß ohne Verfärbung
Stiel: weiß, innen kammerig wattig, fast zylindrisch
Verfärbungen auf Druck: keine (weder innen noch außen)
Stielbasis: etwas zugespitzt, bräunlich
Größe: Hutdurchmesser 4 cm; Stiellänge 4 cm, Stieldurchmesser 15 mm
Sporenpulverfarbe: Pantone 7507U - das ist wie so oft keine Romagnesi-Farbe da ein hoher Cyan-Anteil dabei ist. Am ehesten passt
IIIa, IIIb nach Romagnesi
Geruch: fruchtig
Geschmack:
mild (unmittelbar und auch nach 1 Minute Kauen)

Mikrodaten:

Sporen:
(6.5) 6.7 - 7.9 (8.1) x (5.2) 5.5 - 6.4 (6.6) µm
Q = (1.1) 1.12 - 1.28 (1.3) ; N = 31
Me = 7.2 x 6 µm ; Qe = 1.2 

Ornament: einige Verbindungen

max. Warzenhöhe:
ca. 0,8 µm

-->
Ornament-Typ nach Woo: B(C)2(3)

Apikulus:
1.3 - 1.7 x 0.75 - 1 µm
Q = 1.31 - 2.2 ; N = 5

Me = 1.4 x 0.9 µm ; Qe = 1.6

Epikutis-Haare & Endhyphen: ca. 2,25 µm im Durchmesser

Es kommen ja nur 2 Russulas in Frage:
Der Milde Kamm-Täubling (Russula insignis) und der Kratzende Kamm-Täubling (Russula pectinatoides).

Wie können diese unterschieden werden?

a) makrochemische Farbreaktion
Diese beiden Arten können eigentlich durch die makrochemische Farbreaktion (orangerot) einer starken Base (KOH, Ammoniak) an der Stielbasis leicht unterschieden werden. Bei Russula insignis färbt sich die Stielbasis rostrot/orange, bei Russula pectinatoides nicht. Leide habe ich dies aber am Frischpilz nicht durchgeführt. Am Exsikkat machte ich dann den KOH-Test an der Stielbasis. Er war negativ.
Bei einem Exsikkat muss man aber vorsichtig sein, denn die Farbreaktion kann schwinden. Das paradoxe ist dass bei pectinatoides als Exsikkat sogar eine leicht orange-Färbung auftreten kann. Somit ist dieser Test beim Exsikkat mehr oder weniger nichts-aussagend.

b) Sporenpulverfarbe
Einige Beschreibungen sagen dass die beiden Arten durch die Sporenpulverfarbe unterschieden werden können.
Es gibt hier starke Widersprüche in den Beschreibungen was die Sporenpulverfarbe betrifft.
Für Russula pectinatoides ist alles klar --> Die Sporenpulverfarbe soll IIc bis IIIa sein (was aber auch nicht so recht wahr ist, denn KEINE Romagnesi-Farbe trifft zu, denn das Sporenpulver hat deutlichen Cyan-Anteil).
Für Russula insignis widersprechen sich die Autoren: Alles von Ib bis IIIb wird hier genannt. In Wirklichkeit trifft auch für Russula insignis KEINE Romagnesi-Farbe zu. Es ist verständlich dass sich die Autoren hart taten mit der Ermittlung nach der Romagnesi-Farbtafel, denn dieser fehlen wie schon gesagt die Cyan-Anteile. Dies ist übrigens keine Nachlässigkeit von Romagnesi gewesen. Die Recherche über die Romagnesi-Farbtafel und warum dort keine Cyan-Anteile drin sind werde ich mal ausführlich berichten.
Meiner Meinung nach wahr ist jedoch die Sporenpulverfarbe am ehesten IIa bis IIb ist. Und dadurch ist dieses Merkmal wieder anwendbar.

c) Geruch
In vielen Beschreibungen ist erwähnt das pectinatoides NICHT fruchtig riechen kann. Laut Peck ss. Singer, nec Romagn. 1950 ist es aber anders: "odeur nauséeuse de caoutchouc, recouvrant un fond fruité plus ou moins distinct". Ich denke eher, dass pectinatoides nicht fruchtig riechen kann und insignis fruchtig riecht.

d) HDS-Elemente
Einige Beschreibungen sagen dass die beiden Arten durch die HDS-Elemente unterschieden werden können.
Es gibt auch hier starke Widersprüche in den Beschreibungen.
Fasst man alles zusammen kommt man ungefähr auf: "Ein Unterschied ist bei den Epikutis-Haaren vorhanden. Diese sind bei Russula pectinatoides lang, fadenförmig, 2,5 µm im Durchschitt. Bei Russula insignis aber breit und verzweigt, 4 µm im Durchschnitt."
Leider ist auch das nicht richtig. Die Epikutis-Haare und Pileozystiden sind stark unterschiedlich im Zentrum des Hutes zum Rand des Hutes. Sowohl was die Septierung als auch was Form und Größe angeht. Bringt man die variatas und formas von pectinatoides noch ins Spiel dann wird man narrisch wenn man nach zuverlässigen Daten sucht. Ein Unterscheidung anhand der Epikutis-Haare ist, wenn überhaupt möglich mit einem Unsicherheitsfaktor behaftet, es sei denn jemand nimmt einmal von beiden Arten, allen variatas und formas die Daten auf. Ich konnte an meinen Exemplaren (ich habe insignis und pectinatoides) in meinem Herbarium noch keinen eindeutigen zuverlässigen Unterschied erkennen.
Auch dieses Unterscheidungsmerkmal können wir also vorerst vergessen.

e) Sporenornament
Hier wird es nicht weniger problematisch, denn es geht drunter und drüber in der Literatur.
Angeblich (siehe auch Kibby) wurde die amerikanische "echte" pectinatoides mit der europäischen gleichgesetzt oder eben verwechselt.
Die amerikanische "echte" pectinatoides hat nämlich ein isoliertes Sporenornament (Typ A), und die europäische nicht.
Deshalb nennt Kibby sie verständlicher weise auch Russula praetervisa und beschreibt diese mit Typ C(E)2, während er insignis mir C2 beschreibt.
In Funga Nordica ist das nicht so, hier ist pectinatoides B2 und insignis E2 - also gerade eher umgkehrt.
Ich meine, dass das Sporenornament ist erstens variabel (mit dem Alter des Pilzes) und zweitens ähnlich, und somit leider kein Unterscheidungsmerkmal.

Wie oben zu sehen, passt das die Sporenpulverfarbe, der Geruch und der Geschmack zu eindeutig zu Russula insignis.
Es ist also der Milde
Kamm-Täubling (Russula insignis):

Und die Wiese verabschiedete uns mit einem kleinen unbestimmbaren Baby-Pilz.
Später (im Jahr 2016) stellte sich heraus: an dieser Stelle wachsen Riesen-Champignon (Agaricus augustus):
Und diese sehen genau so aus wie dieser - wenn sie jung sind:

Ja, liebe Pilzfreunde, diese Tour war wirklich eines der Highlights dieses Jahres.
Hoffentlich geht es bald wieder los ;-)))

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